Nach den Top-10 2009, 2008 und 2007 nun zum vierten Mal die aus meiner Sicht besten typografischen Neuerscheinungen des Jahres:
Eames Century Modern
Serif von Erik van Blokland (NL) & House Industries (USA) | House Industries (USA)
Wenn Erik van Blokland eine Schrift anpackt zieht er gewöhnlich alle Register. Erik ist ein typografischer Zauberer vor dem Herrn, der sowohl gestalterisch als auch technisch immer wieder Maßstäbe setzt. Sein neuester Coup entstand erstmals in enger Zusammenarbeit mit dem großartigen House-Industries-Team. Mit der Eames Century Modern zeigt er seinen Studenten und Kollegen einmal mehr wo Barthel den Most holt. Mit ihrem bestechenden Charakter in bester Clarendonscher Tradition, den vielen Varianten, den Alternativformen und ihrer typisch van-Bloklandschen Perfektion ist sie ganz klar die Schrift des Jahres (auch bei Typefacts) und eine der bemerkenswertesten Neuerscheinungen der letzten zehn Jahre.
Eames Century Modern umfasst 26 Fonts: Acht Schnitte (Thin, Light, Regular, Book, Medium, Bold, Extra Bold, Black) plus Kursive, zwei Stencil-, vier abgefahrene Ziffer-, drei Rahmen-Fonts und einen Ornament-Font.
FF Amman Sans & FF Amman Serif
Schriftsystem (Sans Serif und Serif) von Yanone (D) | FontFont (D)
Als Yanone mir auf der TYPO 2009 seine Diplomschrift zeigte, habe ich mich spontan in sie verliebt. Fasziniert war ich von ihrem umfangreichen aber zweckmäßigen Ausbau sowie ihrem robusten und eigenwilligen Charakter. Als ich später berufsbedingt die finale Entstehungsgeschichte der kantigen Schönheit erleben durfte, fühlte ich mich derart von der FF Amman inspiriert, dass ich meinen Urlaub gar in ihr Ursprungsland Jordanien verlegt habe. Dort lernte ich ein Land kennen, welches mich kulturell, landschaftlich und menschlich sehr faszinierte und der Schrift damit einen ganz besonderen Anstrich verpasste.
FF Amman umfasst 22 Fonts: die Sans hat sieben aufrechte Schnitte (Thin, Light, Regular, Medium, Bold, Extra Bold, Black) plus Kursive, die Serif vier (Regular, Medium, Bold, Extra Black) plus Kursive.
Yanone hat zur Schrift einen großartigen Dokumentarfilm produziert, den ich sehr ans Herz lege (inkl. kurzem Interviewteil mit mir): Amman – The FFilm. Auf Behance gibt es weitere Infos zur FF Amman.
Fakt
Sans Serif von Thomas Thiemich (D) | OurType (BE)
OurType gehört nicht erst seit dem letzten Jahr zu den besten Schriftherstellern der Welt. Dennoch, 2010 war für die Belgier ein besonderes Jahr. Sie bauten ihre Bestseller Parry, Arnhem, Lirico und Custodia aus und veröffentlichten wirklich bemerkenswerte Neuerscheinungen (Comb, Fayon und Tiina). Das Beste haben sich OurType aber dann doch bis zum Jahresende aufgehoben: die Fakt des deutschen Schriftgestalters Thomas Thiemich. Sie versucht erfolgreich den Spagat zwischen einer Grotesk und einer geometrischen Serifenlosen und ist damit weitaus mehr als nur eine weitere bemühte Alternative zur Helvetica.
Fakt umfasst 30 Fonts: Air (dünner als Hair!), Hair, Thin, Light, Blond, Normal, Medium, Semibold, Bold, Black und die jeweiligen Kursiven sowie Condensed- und SemiCondensed-Weiten.
Tabac
Serif von Tomáš Brousil (CZ) | Suitcase Type Foundry (CZ)
Belastbare Brotschrift mit variablen Kontrasten und ausgeprägten keilförmigen Serifen. Tabac umfasst 32 Fonts: Regular, Medium, Semibold und Bold plus Kursive, jeweils in vier verschiedenen Kontraststufen.
Forza
Sans Serif von Jonathan Hoefler (USA) und Tobias Frere-Jones (USA) | Hoefler & Frere-Jones (USA)
Umfangreiche eckige Serifenlose im bemerkenswert zeitgemäßen Gewand. Ein Name wie gemacht für Fußballfans. Forza umfasst 12 Fonts: Thin, Light, Book, Medium, Bold, Black plus Kursive.
Lavigne Text
Serif von Ramiro Espinoza (AR) | ReType (NL)
Moderne Antiqua mit hoher Mittel- sowie kurzen Ober- und Unterlängen. Perfekt für kleine Schriftgrößen. Lavigne Text umfasst vier Fonts: Regular, Regular Italic, Bold und Bold Italic. Die 2006 veröffentlichte passende Display-Variante ist identisch aufgeteilt und hat zusätzlich eine Light und Light Italic.
Tierra Nueva
Display von Sebastian Nagel (AT) | FDI Fonts.info (D)
Die Schrift einer fast 500 Jahre alten Landkarte mit allem OpenType-Pipapo ins digitale Zeitalter übertragen. Was für Nostsalgiker. Tierra Nueva umfasst die vier Schnitte Norte Roman, Norte Bold, Norte Italic und Sur Script.
Dala Floda
Display von Paul Barnes (USA) | Commercial Type (USA)
Ich mag ja nun wirklich keine Stencil-Schriften. Aber Paul Barnes’ fabelhafte Logoschrift rockt gewaltig. Dala Floda umfasst zwölf Fonts: Roman, Roman No. 2, Medium, Bold, Black und Fat plus Kursive.
ITC New Esprit
Serif von Jovica Veljović (SRB/D) | International Typeface Corp. (USA)
Wenn ein Meister wie Jovica Veljović nach 25 Jahren seine beste Schrift überarbeitet, dann muss das perfekt werden. Sehr elegant. ITC New Esprit umfasst acht Fonts: Regular, Medium, Bold und Black plus Kursive, sowie in identischer Zusammenstellung auch als Display-Familie.
LiebeErika
Display von Ulrike Wilhelm (D) | LiebeFonts (D)
Eigentlich gestaltet Ulrike Wilhelm Illustrationsfonts, hat sich aber dazu bewegen lassen, es mal mit Buchstaben zu probieren. Gott sei Frank. LiebeErika ist ein Einzelschnitt.
Weitere
Wie immer fiel es mir extrem schwer, mich auf zehn Schriften zu beschränken. Das wird angesichts der ständig wachsenden Qualität und Quantität der Neuerscheinungen von Jahr zu Jahr schwieriger. Folgende Schriften hätten es ebenfalls verdient gehabt, in den Top 10 genannt zu werden:
- FF Basic Gothic von Hannes von Döhren und Livius Dietzel (FontFont)
- Balduina von Boudewijn Ietswaart und dem Circulo de Tipografos (Circulo de Tipografos)
- Calypso E von Jarno Lukkarila (Typolar)
- Custodia Pro (Erweiterung) von Fred Smeijers (OurType)
- FF DIN Round Albert-Jan Pool (FontFont)
- MvB Embarcadero von Mark van Bronkhorst (MvB Fonts)
- Founders Grotesk von Kris Sowersby (Klim Type Foundry)
- Horst von Ricardo Marcin und Erica Jung (PintassilgoPrints)
- Ibis von Cyrus Highsmith (Font Bureau)
- Lirico Press von Hendrik Weber (OurType)
- Margarita von Alejandro Lo Celso (Pampatype)
- FF Massive von Donald Beekman (FontFont)
- Panno von Pieter van Rosmalen (Bold Monday)
- Ode von Martin Wenzel (MartinPlusFonts)
- Ratio Display von Mark Caneso (p.s. type)
- Sense & Sensibility von Nick Shinn (ShinnType)
- FF Suhmo von Alex Rütten (FontFont)
- Tiina von Valentin Brustaux (OurType)
- MvB Verdigris Pro (Überarbeitung) von Mark van Bronkhorst (MvB Fonts)
- 21 Cent von Yuri Gordon (Letterhead)
Da ich in diesem Jahr auch in die Auswahl von FontShop’s Best Fonts 2010 involviert war ließen sich einige Überschneidungen nicht vermeiden.
Weitere Jahreslisten finden sich bei Typefacts, MyFonts, Veer und YouWorkForThem.