Ich hatte mir fest vorgenommen, erstmals eine Best of der neu erschienenen Schriften aufzustellen. Was dagegen spricht? Man ist mir zuvor gekommen! An sich ist das auch kein Problem, jedoch deckt sich jene vorgedrängelte Liste im Kern doch sehr mit meiner eigenen, die dort gezeigten Displayfonts sowie die fehlende Meta Serif einmal ausgenommen. Die Rede ist von FontShops „Fontstars – Die besten Schriften 2007“. Gut, dann spar ich mir eben meine eigenen Jahresendcharts und werfe stattdessen einen intensiven Blick auf die Fontstars, die es im übrigen auch als kaufbares Schriftenpaket gibt. Wollen wir doch mal sehen …
Was sind also laut FontShop die besten Schriften des Jahres 2007? 500 neue Familien wurden für diese Zusammenstellung von einer internationalen Jury überprüft. Die endgültige Kollektion umfasst schließlich 17 Familien. Besonders angetan haben es mir hierbei Peter Biľaks Greta Text und Łukasz Dziedzics FF Clan. Letztere ist mir noch aus meiner Zeit bei FontFont in Erinnerung. Vor etwa einem Jahr war ich als Tester direkt an ihrem Entstehungsprozess beteiligt und war zuweilen, na sagen wir überwältigt von ihrem Umfang. Mit der zeitlichen Distanz wird mir auch ihre ästhetische Qualität bewusst, ihre Umsetzung in puncto Zurichtung, Umfang und Funktionalität sucht ihresgleichen. Kapitälchen, acht Ziffernsätze, bedingte Ligaturen und was das typografische Herz sonst noch begehrt – bei der FF Clan all inclusive.
Die schöne Greta hingegen war Liebe auf den ersten Blick. Sie ist noch deutlich umfangreicher als ihre Mitstreiter: Kapitälchen, ganze neun Ziffernsätze, erweiterter osteuropäischer Zeichensatz, 20 Währungszeichen, elf Ligaturen und Symbole wie für Wetter, Horoskop, Schach, Orientierung und Strukturierung. Ein solcher Ziffernsatz in einer so peniblen Ausführung bringt den Gestalter zur Verzückung. Allerdings hat der Umfang auch seinen Preis. Hierfür sind ganze 90 Euro pro Schnitt fällig, die Regular und die Italic kosten zusammen also schon 180 Euro. Dennoch, wert sind sie es allemal.
Ich meine, dass sowohl die FF Clan als auch die Greta neben der zu Beginn erwähnten und fehlenden FF Meta Serif von Erik Spiekermann, Christian Schwartz und Kris Sowersby die Schriften des Jahres 2007 sind und demnach auf keinem Designerrechner fehlen sollten.
Um die Platzierungen streiten sich eine Reihe weiterer Schriften. Die letztlich ausgewählten Fontstars hier kurz vorgestellt:
- Agent of the Uncanny (Device Fonts) · Der Londoner Comic-Zeichner und Schriftentwerfer Rian Hughes erstellte bereits 2006 für sein Fontlabel Device Fonts diese Pinselschrift, die dadurch besticht, dass sie eben nicht perfekt ist. Leider ist sie nur als reine Versal-Schrift erhältlich und nicht alle Glyphen haben echte Alternativformen. 39 $ ab Werk.
- Amalia (OurType, später Typotheque) · Nikola Djureks Oma war die Namensgeberin dieser, an Utopia oder Baskerville erinnernden Schrift. Einseitig abgeflachte Tropfenserifen und die Kapitälchen, zwei Ziffernsätze und der osteurpäische Sprachumfang lassen keinen Zweifel aufkommen: diese Barock-Antiqua ist optimal für umfangreiche Texte. Die drei Schnitte Normal, Normal Italic und Bold würden direkt bei der Foundry zusammen 120 $ kosten.
- Anziano (Fountain) · Stefan Hattenbach las eine schwedische Ausgabe des „Herrn der Ringe“ aus dem Jahre 1959. Von der Lesbarkeit der dort verwendeten Weiss von Emil Rudolf Weiss (1926) war er dermaßen beeindruckt, dass er eine eigene Interpretation umsetzte, die sich im Detail dann doch wieder deutlich von ihr unterscheidet. Werksatz und Editorial Design bieten sich für die Anziano an.
- Blaktur (House Industries) · „Like an overcooked knackwürst, Blaktur is bursting with all the flavor you’ll need for your next Riesling wine label design, church bulletin masthead or Udo Dirkschneider heavy metal tribute album. Blaktur goes from hip-hop to Bach with the click of a mouse.“ Damit ist zur Blaktur alles gesagt. Fast alles! Zu ihr gehören nämlich noch vier Songs der „badneck“-House-Industries-Band, die damit bereits die diesjährige TYPO rockten. Zwar nicht meine Art von Musik, aber die Songs sind inklusive und das wiederum ist eine tolle Idee. 49 € im Einzelkauf.
- MVB Calliope (MVB Fonts) · Eine ungekünstelte Blockbuchstaben-Handschrift, gestaltet von Gayle Sato. Relativ neutral und auf jeden Fall eine Alternative zu anderen omnipräsenten Script-Fonts wie FF Hands. Sie wirkt im Einsatz besser als „roh“.
- Casey Classic (The Font Bureau, Inc., später CabargaType) · Verschiedene Buchstabenkombinationen, Zierschwünge und Ligaturen: nicht selbstverständlich bei einem Displayfont. Nostalgie kommt beim Betrachter auf, die Einsatzmöglichkeiten scheinen vielfältig. Die verbundenen Glyphen sind hervorragend aufeinander abgestimmt. Leslie Cabargas Font erinnert vor allem an das Logo der L.A. Dodgers. 40$.
- FF Clan (FontFont) · Book, Medium und Black wurden auf die Compilation gepackt. Die Kursiven sind noch in Arbeit, habe ich mir sagen lassen. 3 × 59 € = 177 €.
- FP Dancer Sans (Fontpartners) · Morton Rostgaard Olsen erschuf mit der Dancer eine typisch dänische Familie, die man gern in der Nachbarschaft hätte. Sowohl in der Sans- als auch Serif-Version strotzt die kontrastarme Satzschrift vor kindlicher Leichtigkeit. Dieser kindliche Spaß kostet jeweils glatte 50 Euro.
- Greta Text (Typotheque) · Alles dazu gesagt. Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass die Greta den TDC Certificate of Excellence 2007 gewann.
- Kelly Twenty (Device Fonts) · Nix für Pazifisten oder Zivis. Aber vielleicht für Prenzlauer-Berg-Underground-Club-Flyer-Gestalter? Hätte man weglassen können. 39 $ gehen an Rian Hughes, falls man gedient hat.
- Kinescope (Mark Simonson Studio) · Technisch interessant wird es wieder bei der Kinescope von Mark Simonson. Sechs stilistische Varianten wurden angelegt, damit sich immer die zueinander passenden Buchstaben anschließen. OpenType machts möglich. Inspiriert wurde Simonson übrigens von einem Superman-Cartoon. Den Font also niemals zusammen mit Kryptonit einnehmen. Hierfür würden im Einzelkauf schmallaufende 29 $ fällig.
- MVB Sacre Bleu (MVB Fonts) · Mark van Bronkhorst produzierte den Script-Font Sacre Bleu für sein Label MVB Fonts. Sein Merkmal ist eine Ungleichmäßigkeit, die ich wahlweise einem Achtjährigen oder Achtzigjährigen unterstellen würde. Ein Font aus der Sorte „kann, muss aber nicht“. Wenn muss, dann 29 $.
- Seravek (Process Type Foundry) · Vier Jahre arbeitete Eric Olson an seiner Seravek, bis er sie schließlich in seiner Process Type Foundry veröffentlichen konnte. Die serifenlose Linearantiqua wird in den gut kombinierbaren Schnitten Regular, Regular Italic und Bold mitgeliefert. Die gute Ausstattung mit zahlreichen Ligaturen, Brüchen und osteuropäischem Zeichensatz treibt den Preis auf verhältnismäßig teure 75 $ pro Gewicht hoch.
- Softmachine (ShinnType) · Die Softmachine von Nick Shinn könnte auch von Donald Beekman gestaltet worden sein. Zumindest war dies die erste Assoziation, die ich hatte. Im Fließtext sicher nicht zu empfehlen, aber als Outline-Displayfont auch mal den einen oder anderen Einsatz wert. Für 59 € das Stück.
- MVB Solano Gothic (MVB Fonts) · Diese schmallaufende Display-Grotesk wurde ursprünglich für die Beschilderung einer kalifornischen Kleinstadt namens Albany konstruiert. Die hohe x-Höhe erhöht die Lesbarkeit.
- P22 Underground (P22) · Diese Schrift ist 91 Jahre alt. Vielfach wurde die von Edward Johnston für das Londoner U-Bahnsystem entworfene Schrift bereits digitalisiert. Erstmalig nun aber mit offizieller Segnung vom London Transport Museum. Wer also mal neue U-Bahnbeschilderung gestalten muss, 39,95 $ und man ist dabei.
- P22 Zaner (P22/International House of Fonts) · Zierschriften dieser Art werden meist vor Weihnachten gebraucht. In der Regel greift man dabei auf die Zapfino zurück. Wer sie aber nicht mehr sehen kann, ist mit der doppelschnittigen Zaner gut beraten. Diese Federschrift basiert auf der Handschrift eines Schreiblehrers mit jenem Namen. Paul Hunt setzte diese Handschrift ins OpenType-Format um. 99,95 $ kostet dieser kalligrafische Auswuchs.
Das soll es von der Behelfs-Bestenliste für dieses Jahr gewesen sein. Ich verspreche, im nächsten Jahr eine wirklich eigene zusammenzustellen.