Für das aktuelle Slanted-Magazin führte ich ein Interview mit Jürgen Huber, seines Zeichens Fontdesigner und Professor für Typografie und 2D-Design an der FHTW Berlin über Fonts, Inspiration und seine Professur. Hier ein Auszug aus dem Gespräch, das in voller Länge in Slanted #04 nachzulesen ist.
IG: Wovon lässt du dich beim Zeichnen einer Schrift beeinflussen?
JH: Meist hat man eine Idee für ein Schriftkonzept. Eine Schrift im Wesentlichen aus einer Problemlösung heraus zu entwickeln macht es selbstverständlich einfacher, aber letztlich ist es doch immer ein ästhetisches oder gar künstlerisches Problem. Es ist immer die Suche nach Ausdruck. Die Inspirationsquellen dazu sind vielfältig. Beim letzten Font ohne konkreten Auftrag, der FF Plus, wurde ich beispielsweise von einer bestimmten Proseccoflasche inspiriert. Bei Corporate Fonts hingegen ist es insofern einfacher, als dass man ein Bild hat, worin sich der Font einfügen muss.
IG: Wonach benennst du sie?
JH: Ganz unterschiedlich. Meistens ist das doch irgendwie Eingebung: Das ist jetzt der Name, passt. Bei der Plus war es so, dass ich einen Namen gesucht habe, der in allen drei großen Sprachräumen funktioniert, also Englisch, Deutsch und Französisch. Da ist Plus überall sauber auszusprechen.
IG: Welche Schrift ist dir deiner Meinung nach am besten gelungen?
JH: Ich habe eine Schrift gemacht für die touristische Region Südtirol. Die halte ich nach wie vor für sehr gelungen, weil sie meiner Meinung nach den Flair dieser Region extrem gut einfängt, weil sie sehr nahbar und warm ist und weil sie so lebendig ist, dass sich die Fehler, die dort vielleicht drin sind, sehr gut nivellieren. Je präziser eine Schrift ist, umso mehr fallen ja etwaige Abweichungen auf.
IG: Ich bin ein großer Fan deiner Ginger, speziell der Flamboyant-Schnitte. Wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Umsetzung?
JH: Ich wollte einfach zwei Dinge vereinen, die absolut nicht zusammenpassen. Die Schnörkel der englischen Schreibschriften mit einem relativ brachialen Zeitgeist-Font zu kombinieren war einfach mal ein Wagnis, ein Experiment.
IG: Welche Entwicklung kannst du selbst beschreiben, wenn du deine ersten Arbeiten mit den aktuellsten vergleichst? Gehst du heute ganz anders zu Werke als früher?
JH: Heute versuche ich mich wieder viel mehr am Schreiben als Inspirationsquelle zu orientieren. Ich gehe weniger den Weg der digitalen Suche nach Form, sondern eher den der schreiberischen, der zeichnerischen, der Formsuche mit dem Pinsel. Mit manuellen Werkzeugen suche ich Formen. Das hab ich früher mehr digital gemacht und mehr mit einem technisch-konzeptionellen Ansatz.
IG: Beispielsweise bei der FF Angst?
JH: Dort war es fotomechanisch, könnte man sagen. Sie entstand aus der Überlagerung zweier Schriften, die ich dann auf den Scanner gelegt habe und entweder mit dem Scanner oder gegen den Scanner gezogen habe. Mit ihm werden die Formen dann eher breit, gegen ihn eher schmal.
IG: Wird die Welt wirklich immer komplizierter?
JH: Es kommt mir jedenfalls so vor. Woran liegt das? Wahrscheinlich weil die Welt dichter wird, enger.
IG: Was stimmt dich dennoch zuversichtlich?
JH: Global gesehen stimmt mich eigentlich wenig zuversichtlich. In der Komplexität dieser Zeit wird es immer schwieriger.
IG: Seit fast drei Jahren bist du nun Professor für Typografie an der FHTW Berlin. Oft wird beklagt, dass sich das Bildungsniveau in Deutschland auf dem absteigenden Ast befindet. Kannst du das anhand deiner eigenen Erfahrungen mit Studierenden deiner Hochschule widerlegen oder gar belegen?
JH: Ich meine, ich kann es belegen. Durch die Passivität, mit der wir den Medien begegnen können – wir müssen nicht aktiv auf sie zugehen, können ihnen passiv gegenüberstehen – lässt unsere eigene Kreativität nach. Ich muss nicht mehr aktiv einen kreativen Zeitvertreib ersinnen, sondern ich kann mich in die Couch fallen lassen, den Fernseher, das Internet oder ein Videospiel auf mich einprasseln lassen. Dieses Phänomen bestätigen meine Kollegen ebenfalls.
IG: Glaubst du, dass Studiengebühren daran etwas ändern können? Dass durch die daraus eventuell resultierende Kundenhaltung der Studierenden und deren Erwartungshaltung vielleicht auch eine Selbstforderung entstehen könnte?
JH: Ich könnte mir vorstellen, dass dies im schlimmsten Fall dazu führt, dass sich diese Konsumhaltung noch stärker ausprägt. Dann mit dem Argument „da muss was kommen, ich zahl ja auch dafür“. Dass weniger das eigene Suchen und das eigene Engagement im Vordergrund steht. Ein konkretes Beispiel. Mit meinem 6. Semester nehme ich derzeit an einem Plakatwettbewerb teil. Dort geht es unter anderem darum, auf dem Plakat zwei Textzeilen zu positionieren. Ich habe im Zuge dessen die Unfähigkeit einer Studentin kritisiert, die diese zwei Textzeilen enorm langweilig positioniert hatte. Sie entgegnete mit dem Argument, ich hätte dies ihr und ihren Kommilitonen noch nicht beigebracht. Da werde ich ganz hellhörig. Da ist plötzlich eine reine Konsumhaltung vorhanden. Die Studierenden können dann also ausschließlich das, was ich ihnen bis dato implantiert habe? Ist das im fortgeschrittenen Studium nicht eher peinlich?